Usbekistan: 07.07. – 16.07.2014

Erst am späten Abend kamen wir über die Grenze nach Usbekistan. Alle
unsere Gepäckstücke wurden gescannt, die Medikamente durchgeschaut, wieder
nach unseren Büchern gefragt und eine erneute Zollerklärung auf russisch
ausgefüllt. Es dauerte mal wieder eine Ewigkeit bis wir einreisen durften,
die Sonne war schon am Untergehen und wir machten uns auf die Suche nach
einem Schlafplatz. Bei der LKW-Schlange trafen wir noch Hannah, eine
Japanerin, die in China gestartet und alleine bis nach England fahren wollte.
Wir tauschten wie üblich Informationen über die kommenden Länder aus und
erfuhren, dass in Usbekistan das Wildzelten wohl auch kein Problem
darstellen würde.

So schlugen wir kurz hinter der Grenze unser Zelt auf, doch wirklich ruhig
war es durch die immer wieder ankommenden LKW nicht.

Früh standen wir am nächsten Morgen wieder auf und kamen an einem Auto mit
deutschem Kennzeichen vorbei, aber stoppten nicht, da wir dachten, dass
sie uns bestimmt wieder einholen würden und gerade beim Frühstücken waren.
Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch Buchara erreichen, doch Reiner
und mir ging es nicht wirklich gut. Es war heiß und wir machten viele
Pausen und stoppten schon früh, um eine riesige Wassermelone zu essen. Auf
dem ersten großen Bazar, an dem wir vorbei fuhren, kauften wir nichts ein,
es war einfach zu voll, laut und stressig. Wir fühlten uns nicht in der
Stimmung zu handeln, uns ins Chaos zu stürzen und suchten später einen
kleineren Laden auf.

Wir kommen am Abend nur bis kurz vor Buchara, einen ungestörten Platz zum
Zelt aufbauen finden wir nicht und so biegen wir in eine Seitenstraße ein,
um bei einem der Häuser um Erlaubnis zu fragen.

Wir können an diesem Abend bei einer Bauernfamilie schlafen, generell
scheint jeder hier Feldarbeit zu betreiben. Sie geben uns Cay und Essen
und sitzen lange mit uns draußen. Wir zeigen uns gegenseitig Fotos von
zuhause und bekommen sogar deren Hochzeitsvideo gezeigt, das auf einem
alten Fernseher flimmert, der nicht etwa im Haus, sondern über ein Fenster
nach draußen gerichtet ist. Im Haus ist es zu dieser Jahreszeit einfach zu
heiß.

Am Morgen erreichen wir endlich Buchara, es ist sehr dörflich, doch die
historische Altstadt ist für die Touristen herausgeputzt. Nachts ist dort
eine Stimmung wie auf einem Jahrmarkt, erst abends wird die Stadt aktiv.
Essen gehen ist kein wirklicher Genuss, doch da wir in unsrem alten
Buchara-Haus nicht kochen dürfen, bleibt uns nichts anderes üblich. Wir
fühlen uns nicht wirklich willkommen bei dem Hotelbesitzer, der zweimal im
Sprint an der Olympiade in München und Moskau teilgenommen hatte. Das Haus
ist zwar ein traditionelles Haus und wohl das erste Hotel in der Stadt und
uralt, doch es wird nicht mehr gut geführt. Am Ende will er von uns noch
10.000 Som für ein kaputtes Schloss, das von Anfang an nie funktioniert
hatte. Wir zahlen das aber nicht mehr, sind etwas unglücklich, da wir
selbst die Wäsche nicht waschen durften und kein Frühstück bekommen.

Wir hatten aber schon vor diesen Erfahrungen für zwei Nächte bezahlt, um
genügend Zeit zum Auskurieren und für eine Stadtbesichtigung zu haben.
Ich bin froh als es am Morgen weiter geht und wir das Hostel verlassen.
Wir verlassen die erste Stadt mit echter Seidenstraßen-Romantik, die von
ihrer Architektur sehr beeindruckend war.

Wir haben aufgrund der genauen Einreisebestimmungen der zentralasiatischen
Länder Probleme Tadjikistan rechtzeitig zu erreichen und wollen uns aber
noch Samarkand, die Perle der Region anschauen. Die Grenze bei Samarkand
nach Tadjikistan ist aber geschlossen, so dass wir danach wieder zurück
nach Süden müssen oder direkt von Buchara aus zur südlichen Grenze fahren
und die Stadt auslassen. Samarkand hatte ich aber immer fest eingeplant
und so bleibt uns nur eine Lösung, den Bus von Buchara nach Samarkand zu
nehmen uns so zwei Tage einzusparen und etwas mehr als 200 Kilometer mit
dem Fahrrad auszulassen.

Der Besitzer des Busses will von uns 40$, doch das ist uns zu viel. Wir
sind etwas spät dran, der Bus fährt immer wieder an, während wir
verhandeln. Doch mit Frauen kann man in Zentralasien nicht verhandeln, da
bekommt man Angst, dass sie einem in Grund und Boden schreien. Am Ende
einigen wir uns auf 26$, was immer noch doppelt so teuer ist, im Vergleich
zu den Einheimischen – wir stempeln dies als Fahrradtransport-Gebühr ab.

Nach einer sehr holprigen Fahrt kommen wir nach 5 Stunden und einer Stunde
Verspätung bei Abfahrt mit heilen Fahrrädern in Samarkand an. Es ist ein
merkwürdiges Gefühl so in eine neue Stadt zu kommen, es fühlt sich fast so
an, als ob man geflogen wäre. Nach so kurzer Zeit bin ich plötzlich in
einer völlig neuen Stadt ohne mich in die Umgebung eingefühlt zu haben.
Auch hier bekommen die Touristen nichts vom wirklichen Leben mit, die
Regierung hat extra Mauern errichtet, dass die Ausländer nicht hinter die
Fassade der Stadt gucken können.

Im Touristen-Innenstadtbereich ist heile Welt, tolle und beeindruckende Gebäude,
doch schon wenige Seitenstraßen entfernt, bekommt man einen Ausschnitt des
echten Lebens mit. Samarkand scheint keine reiche Stadt zu sein, was wir bei
der Ausfahrt mitbekommen, wo es über schlechte Straßen in Richtung Süden geht.
Wir übernachten im Backpackers-Hostel, wo wir einige Rad-Reisende treffen, das
direkt am Registan-Komplex liegt. Wir schlafen im Doppelzimmer, haben ein
vernünftiges WC und eine heiße Dusche, sogar Wifi gibt es – was will man
mehr. Da wir schon Mittags ankommen, bleiben wir nur eine Nacht, um nicht
zu spät nach Tadjikistan zu kommen, denn die offene Grenze ist durch die
andere geschlossene nicht einen, sondern 6 Rad-Tage entfernt. Uns bleiben
also zwei halbe Tage, um Samarkand zu besichtigen – was wir auch großzügig
ausnutzen.

Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Usbekistan in diesem Teil des
Landes flach wie Turkmenistan sei, doch schon am ersten Tag müssen wir auf
über 1800 Höhenmeter steigen. Es wird schon dunkel, wir sind noch nicht am
Pass und fragen bei einem Restaurant an, ob wir dort schlafen können. Das
Essen ist wirklich gut. Es gibt eine Suppe mit Fleisch und Plov. Am frühen
nächsten Morgen werden wir dann Zeuge, wo unser Fleisch herkommt, die
Besitzer schlachten und häuten ein Schaf, das sie direkt im Anschluss
verkaufen.

Das Tal und die Landschaft sind wahnsinnig schön und so genießen wir die
Tage, trotz Zeitproblemen wegen des Visums. Am zweiten Tag fahren wir dann
die Abfahrt herunter und ich werde scharf von einem Transporter
geschnitten. Ich ärgere mich, bin aber froh, dass nichts weiter passiert
ist.

Am Abend ist das WM-Finale, doch in Usbekistan beginnt das Spiel erst
gegen Mitternacht aufgrund der Zeitverschiebung. Wir haben Glück, es wird
mal wieder dunkel, doch ein Shop-Besitzer, der super Englisch spricht, lädt
uns zu sich nach Hause ein. Wir haben einen tollen Abend, bekommen wieder
Essen und Cay und schauen das Finale. Ich weiß nicht, wie die Stimmung in
Deutschland war, aber für uns war es etwas besonderes auf einem alten
Fernseher mit waghalsiger Stromzufuhr und draußen im Hof das Spiel zu
sehen – Stromausfall inbegriffen und mit einem Sohn, der absoluter Messi-Fan
ist.

Mit dem Titel in der Tasche geht es doch deutlich leichter durch die
ganzen Polizeikontrollen, da es immer ein Gesprächsthema gibt. Die Straße
wird von vielen Baustellen unterbrochen und so kommen wir am Abend in
einem alten Bauwagen unter, da im Moment Wochenende ist. Er ist einfach
eingerichtet, nicht ganz sauber, aber nach so einem Rad-Tag nimmt man das
an. Auf dem Hügel steht eine Lokomotive, die wohl mit einem Hubschrauber
dorthin gebracht werden musste, anders kann ich mir es nicht vorstellen.

Es wird nun deutlich hügeliger, die Straße führt auf und ab und wir kommen
nur langsam voran. Am Abend fragen wir bei einer alten Frau nach, ob wir
das Zelt aufschlagen dürfen, doch es dauert eine Weile bis wir Antwort
bekommen. Sie holt ihren Mann vom Feld, der gerade am Spritzen ist, aber
letztendlich kommen wir auch in dieser Nacht wieder bei privaten Leuten
unter. Wegen den Stechmücken spannt er über das Außen-Bett ein weißes Zelt,
so dass wir zwar nicht unterm Sternenhimmel, aber immerhin geschützt
schlafen können. Ich bin froh dort untergekommen zu sein und genieße das
Ambiente.

Tags darauf fahren wir noch die restlichen Kilometer zur Grenze und kommen
nach Denov, der chaotischsten, nervigsten und stressigsten Stadt seit Karaj
vor Teheran. Wir sind echt erschöpft, als wir die Stadt verlassen und zur
Grenze aufbrechen, haben aber immerhin noch eingekauft und können so mit
vollen Taschen nach Tadjikistan einreisen. Die Ausreise nimmt wieder
einmal mit Scan über eine Stunde ein, unfreundliches Personal, aber nach
den Hotelreservierungen, die wir haben, fragt niemand. Die Einreise nach
Tadjikistan geht mit einer viertel Stunde deutlich schneller und ich bin
glücklich wieder in einem neuen Land zu sein, das schon an der Grenze viel
von sich versprechen lässt. Keine unfreundlichen Grenzbeamten oder
langatmigen Formulare oder Gepäckkontrollen, nur ein Willkommen und
Tschüss.

Usbekistan war sehr ländlich und ich kann nicht einschätzen wie arm oder
reich es ist. Es hat mich teilweise stark an Bulgarien erinnert, schlechte
Erfahrungen haben wir zwar eigentlich nicht gemacht, doch es zählt trotz
des großen Potenzials der Seidenstraßen-Städte Buchara und Samarkand nicht
zu meinen Lieblingsländern auf meiner bisherigen Tour.

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