Tadjikistan, Teil 1: 16.07. – 18.07.2014

Auf Kriegsfuß mit der Bürokratie in Dushanbe
Ich reise nach Tadjikistan ein, habe das 30-Tage-Visum nach kleinen Schwierigkeiten in Teheran bekommen und befinde mich nun in einem Land, aus dem ich wohl nicht mehr so leicht rauskommen werde, insofern mir das Pamir-Permit von der Regierung in Duschanbe nicht ausgestellt wird. Nach den Drogenkrieg-Schießereien im Mai und Juni in Korogh gab es große Probleme und der Pamir-Highway war zeitweise gesperrt. Diplomaten und Journalisten dürfen auch weiterhin nicht in das Land einreisen – zum Glück bin ich Tourist. Das Auswärtige Amt rät weiterhin vor Reisen in die tadjschikische Provinz Berg-Badakshan ab, da mit keiner diplomatischen Hilfe gerechnet werden kann, falls die Unruhen auf Touristen übergreifen sollten.

Doch Reiner und ich entscheiden uns nach den Berichten einzelner Reisende, das Wagnis einzugehen und durch eine der extremsten und spektakulärsten Landschaften dieser Erde zu radeln. Es soll auf dem Opium-Highway – wie er auch genannt wird – entlang der afghanischen Grenze, am Hindukusch vorbei auf bis zu 4655 m über NN gehen, um dann auf einem 4000er Hochplateau nach Kirgisistan einzureisen. Soweit also der Plan, hoffentlich klappt es mit dem Permit.

Nach einer Nacht im Zelt kommen wir auf teils schrecklichen Straßenabschnitten gegen Mittag in Duschanbe an und ich mache mich direkt auf den Weg zur Ammunatbank, um 20 Somoni für das GBAO-Permit einzuzahlen. Es ist kurz vor 12 Uhr, das OVIR-Büro, das die Permits ausstellt hat nur noch 15 Minuten bis zur Mittagspause geöffnet. Ich sprinte von der Bank die 300 Meter zum Büro und bleibe erschrocken stehen. Eine Schlange von bestimmt 50 Tadjiken steht vor mir. Ich analysiere die Lage und drängele mich zu einem Polizisten vor, der hilflos versucht in das Chaos und Gedränge Ordnung zu bringen. Er bemerkt mich und ich bekomme die Gelegenheit nach dem GBAO-Permit zu fragen. Er versteht mich sofort und schickt mich um das Haus herum, ich solle einen anderen Eingang nehmen, ich sei hier falsch.

Ich bin erleichtert und renne zur anderen Tür. Auch hier sind viele Tadjiken anwesend, doch niemand steht an einem der vier Bearbeitungsfenstern, hinter denen jeweils desinteressierte Beamte sitzen. Ich frage am ersten Fenster nach, werde zum zweiten und dann zum vierten Fenster geschickt, niemand fühlt sich verantwortlich. Als ich vom vierten Fenster wieder zum ersten geschickt werde und dieser mit mir zum vierten geht, reagiert der Beamte am vierten Fenster doch und will meinen Pass sehen.

Leider habe ich diesen in der Eile am Fahrrad draußen gelassen, eile zurück und hole ihn. In der Zwischenzeit haben sich zwei Tadjiken vor dem Fenster Nr. 4 versammelt und diskutieren wild mit dem Beamten, während mir nur noch 5 Minuten bis zur Mittagspause bleiben. Die zwei Tadjiken lassen mich dankenswerterweise vor, doch der Beamte will meinen Pass nicht mehr annehmen – Permits werden seit Monaten nicht mehr ausgestellt. No Permit, no passport. Er erklärt nichts, schließt das Fenster, jetzt ist Mittag.

Ich fühle mich in dem Raum voller Tadjilen alleine gelassen, die Beamten helfen nicht, die anderen verstehen kein Englisch und scheinen auch nicht mehr Erfolg zu haben.
Ich sehe, dass das zweite Fenster noch geöffnet hat und versuche erneut mein Glück. Der Beamte zeigt sich gnädig und holt eine Beamtin, die Englisch spricht. Sie erklärt mir, dass keine Permits ausgestellt werden, innerlich bricht eine Welt zusammen – ich bin gefangen in Tadjikistan, der einzige (Flucht-)weg wird mir verweigert.

In die Enge getrieben und ohne wirklichen Plan erkläre ich ihr, dass ich wüsste, dass Permits ausgestellt werden und ich Leute getroffen habe, die das Permit bekommen haben. Die Beamtin ist clever und meint, dass diese Permits vielleicht in anderen Botschaften vor langer Zeit ausgestellt wurden, womit sie verdammt nochmal recht hat. Ich lasse trotzdem nicht locker und verneine ihre Antwort und behaupte, dass ich Leute getroffen habe, die das Permit im OVIR erst gestern bekommen haben. Sie solle nochmal bei den Zuständigen anrufen.

Sie zeigt sich hilfsbereit und sagt, dass ich nochmal zum vierten Fenster gehen soll. Als ich ihr erkläre, dass es geschlossen ist, meint sie zu mir, dass sie mit ihrem Kollegen redet und ich dort warten solle. Die Mittagspause dauert zwei Stunden und nach einer Viertelstunde realisiere ich, dass sich wohl bis 14 Uhr nichts mehr regen wird und beschließe für den Moment auf das Angebot der Waffenruhe einzugehen und erstmal mit Reiner ein Nachtlager im Norden der Stadt einzurichten. Später komme ich zurück, darauf können sich die Beamten verlassen.

Auf dem 8 Kilometer langem Weg zum Hostel kreisen meine Gedanken darum, ob es Alternativen gibt, um hier wieder herauszukommen und ob es vielleicht blöd war nach Tadjikistan einzureisen. Im Hostel treffen wir 3 Schweizer, den Deutschen Gustav, einen Belgier und Rolf, einen Schweizer, den wir schon in Samarkand kennengelernt hatten. Es sind alles Fahrradfahrer, die genau wie wir den Pamir erfahren wollen. Es werden Informationen ausgetauscht und der Belgier gibt mir eine Adresse einer Reise-Agentur, die wohl das Permit besorgen könne, falls es am Nachmittag nicht klappen sollte.

Zeitig fahre ich wieder zurück in die Innenstadt Duschanbes. Das Büro hat geöffnet und ich habe eine neue Taktik erarbeitet. Im Internet hatte ich gelesen, dass die anderen meist noch 5 Somoni im OVIR zahlen mussten und so demonstriere ich mein Wissen und wedele fast schon mit dem Schein herum. Plötzlich ist alles ganz einfach, der Beamte im ersten Fenster sackt das Geld und die Quittung der Bank ein, füllt ein Formular am Computer aus und gibt mir den Ausdruck, um damit zum vierten Fenster zu gehen. Dort angekommen, fragt der unfreundliche Beamte nach der Bank-Quittung. Also wieder zurück zum anderen Beamten, der diese aus dem Müll fischt. Nun habe ich alles beisammen, das vierte Fenster schluckt meine Unterlagen und nach zwei Stunden erhalte ich die Aussage, dass ich am nächsten Tag um 10 Uhr morgens das Permit abholen könne. Ich bin erleichtert, denn es gibt wieder Hoffnung. Als ich aus der Tür trete, treffe ich auf zwei andere Deutsche, die mit dem Auto unterwegs sind und auch das Permit beantragen wollen – tagszuvor hatte es noch nicht geklappt, nun sind sie aber guter Dinge. Nach kurzem Gespräch stellt sich heraus, dass das die zwei Deutschen waren, die wir schon an der usbekischen Grenze am ersten Tag nach der Begegnung mit Hannah, die den Pamir noch nicht fahren durfte, gesehen hatten. In Zentralasien läuft man sich wohl immer mehrmals über den Weg.

Am nächsten Morgen, nach unruhiger Nacht stehe ich um 10 Uhr wieder im OVIR, doch mein Lieblingsfenster Nummer 4 ist nicht besetzt. Nach einer halben Stunde des Wartens gehe ich zu Fenster Nummer 1 und sehe, dass dort Permits liegen. Ich frage nach meinem Permit, doch es sind nur meine Dokumente von gestern vorhanden, kein Permit, da ist wohl etwas schief gegangen. Ich bin nun komplett angespannt, wieso bekommen alle ein Permit, nur ich nicht. Gibt es ein Problem? Ich soll mich nochmal hinsetzen.

Nach eineinhalb Stunden, wieder kurz vor 12 Uhr, kommt der Beamte Nummer 4 zurück, mittlerweile sind bestimmt 30 Tadjiken da, die alle zu ihm wollen und sich in zentralasiatischer Manier vordrängeln. Als ich drankomme und er mein Permit nicht findet, soll ich mich wieder hinsetzen und warten – das kenne ich bereits, nur nichts überstürzen. Es dauert 20 Minuten bis alle Tadjiken abgefertigt sind, es ist schon nach 12 Uhr, doch Beamte Nummer 4 nimmt zu meiner Überraschung tatsächlich noch meinen Pass entgegen. Nun nichts Falsches sagen und kurz abwarten. Er öffnet den streng gesicherten Tresor, holt unbeschriebene Blanko-Permits heraus und füllt mein Permit erneut aus, ich bin angespannt. Ich höre das Klacken des Stempels und bekomme das Permit in die Hand – geschafft. Nun nur noch Wäsche waschen, duschen, Emails checken und dann kann es am nächsten Tag in Richtung Pamir gehen.

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