Alleine nach Auckland
Noch bevor Siegfrieds Flugzeug abgehoben hat, mache ich mich nach über einem Jahr gemeinsamen Reisens alleine auf den Weg ins nördlich gelegene Auckland. Es fühlt sich merkwürdig an nur noch alleine mit unzähligen Autos auf der Straße zu sein. Es gibt niemanden mehr mit dem man sich unterhalten kann, oder gemeinsame Pausen verbringt, niemanden mehr, der auf mein Fahrrad aufpasst.
Es ist weiterhin kalt und regnerisch als ich Christchurch verlasse und entlang der Hauptstraße 1 in Richtung Lewispass starte. Doch nach zwei Tagen ändert sich das Wetter wieder und ich kann die unendlich scheinende Natur in mir aufsaugen, stoppen und innehalten. Es sind die letzten vier Wochen meiner Tour, bevor der Flieger wieder zurück nach Deutschland startet, die letzten vier Wochen in denen ich noch unbeschwert reisen kann, ohne gezwungen zu sein über das danach und meine weitere Zukunft nachzudenken. Ich denke trotzdem über diese Themen nach, schließlich habe ich die Zeit.
Gerade das anfängliche Fahren nach dem langen Abschied fühlt sich schwer an, es macht nicht mehr wirklichen Spaß alleine auf dem Sattel zu sitzen, energielos durch meine durchgemachte Nacht am Flughafen bin ich zudem auch noch vollkommen übermüdet. Nach zwei Tagen ist Siegfried schließlich in Deutschland gelandet und ich stecke irgendwo in den Bergen zwischen Hanmer Springs und Nelson. Eine weitere Regenfront kommt über mich herein und ich beschließe am frühen Nachmittag mein Zelt aufzubauen und die weitere Strecke zu planen und so dem Regen etwas auszuweichen.
Als ich schließlich am Abel Tasman Nationalpark ankomme, hat es immer noch nicht mit der Schlechtwetter-Serie aufgehört, so dass ich eine Wanderung ausschließe und mich auf den Weg nach Picton und zur Interislander-Fähre nach Wellington mache. Auf meinem Weg dorthin werde ich von einem Amerikaner eingeladen, der als Apfelpflücker in der Region arbeitet, kann eine trockene Nacht bei ihm verbringen, duschen, Klamotten waschen und tolle Diskussionen führen. Er hat vier Jahre Journalismus in Berlin studiert und lebt seit über einem Jahr in Neuseeland. Damit keiner seiner Chefs etwas davon mitbekommt, verlasse ich schon in der Früh das Nachtlager und begebe mich in die hügelige Küstenstraße des Malbourough-Sounds.
An meinem letzten Anstieg für den Tag versagt plötzlich die linke Pedale und blockiert so sehr, dass ich nicht mehr treten kann. Das zweite Haus nach der Abfahrt kann mir zum Glück weiterhelfen. Sam, der 29jährige Geschäftsführer baut mit seinem Freund an einem Jetboot und besitzt eine Aluminium-Baufirma. Mit seiner Hilfe können wir die Pedale aufschrauben und stellen fest, dass das Teil, dass die Kugeln fixiert nicht mehr existiert. Nach über 28000 Kilometern ist es wohl komplett verschlissen. Mit ordentlich Gel gefüllt, schaffen wir es trotzdem die Pedale wieder drehbar zu machen, zwar mit mehr Spiel, aber es funktioniert. Da es mittlerweile schon spät am Abend ist, lädt mich Sam noch ein, die Nacht bei ihnen zu verbringen und ich schlafe seit langer Zeit wieder in einem Bett.
Zwei Tage später verlasse ich die Südinsel und erreiche mittags das windige Wellington. Mein Weg führt mich jetzt hauptsächlich nach Norden durch zunächst uninteressantes Farmland. Bei allabendlicher Zeltplatzanfrage werde ich sogar von einem älteren Pärchen bekocht und ins Haus eingeladen. Da es in der Nacht wieder regnen soll, nehme ich die Einladung dankend an. Am nächsten Morgen soll das Wetter immer noch nicht so recht mitspielen, doch für die nächsten zwei Tage ist Besserung in Sicht. Ich gebe nun ordentlich Gas und komme abends in Neuseelands kleiner Wüste an, die vom Militär als Übungsgelände benutzt wird. So verbringe ich die Nacht unter Bäumen neben einem Rugbyfeld und befahre die Wüstenstrecke auf 1000 Metern Höhe erst am nächsten Vormittag, die mir anfänglich noch freie Blicke auf den Vulkan-Nationalpark gab. Mit Vorabschreiten der Uhrzeit nimmt aber die Bewölkung zu, bis ich später nichts mehr von den Bergen sehe.
Gegen Mittag erreiche ich die Stadt und den See Taupo und verbringe dort auf einem Zeltplatz zwei Nächte, nicht ohne die Huka-Falls und das umliegende Gebiet erkundet zu haben. Da das Wetter im Süden wieder schlechter werden soll, beschließe ich am zweiten Tag weiter nach Rotorua und Tauranga zu fahren. Den Schwefelgeruch dieser Gegend nehme ich nur schwach war, erkunde ein paar blubbernde Schlammlöcher und rauchende Schwefel-Gräben, doch die touristischen Maori-Dörfer lasse ich ungesehen hinter mir. Mit Tauranga erreiche ich trotz halben Tags Regen erneut den Ozean und werde am Abend von einem südafrikanischen Paar eingeladen. Am Ende verbringe ich vier Nächte mit ihnen, werde in der Gegend herumgefahren, bekocht und habe tolle Unterhaltungen. Der Ehemann erzielte in den 80ern sogar einen Weltrekord im Laufen, was mich mächtig beeindruckt, aber 8 Jahre Training mit über 160km Laufen pro Woche neben einem Job ist dann doch zu viel für mich, um weiter darüber nachzudenken.
Nach zwei weiteren Tagen erreiche ich dann mit Auckland die größte Stadt Neuseelands, in der wohl jeder dritte Einwohner lebt. Es ist weiterhin sehr hügelig, doch ich kann mich auf eine trockene Unterkunft bei Laurin, dem FSJler von der Südinsel freuen und bleibe am Ende fünf Nächte bei ihm, bevor ich noch zu einer anderen Adresse näher am Flughafen fahre. Ein Neuseeländer und zwei Russen nehmen mich herzlich auf, kein Wunder, dass die meisten Unterhaltungen mich schon 2 Nächte vor meiner Heimreise wieder nach Europa bringen. Der Check-In klappt ohne weitere Probleme und so kann ich mich ganz auf den Rückflug und die angebotenen Filme konzentrieren, bevor ich mich wieder an den Ursprungsort der Reise begebe.