Die 35 Kilometer lange Strecke von Dogubayazit bis zur iranischen Grenze war im Vergleich zu den vorherigen Tagen wirklich angenehm. Die Sonne schien endlich mal wieder und wir hatten keine Belästigungen mehr durch steinewerfende Kinder. Viele Hirten waren um den Ararat anzutreffen, der uns nach drei Tagen endlich seine ganze Schönheit präsentierte. Selbst ein kleiner Junge mit Fahrrad ließ es sich nicht nehmen, uns stillschweigend
mehrere Kilometer zu begleiten. Wie auch schon beim Grenzübergang in die Türkei hatte sich auch hier eine riesige LKW-Schlange gebildet, die wir aber getrost überholen konnten. Wir fuhren über den Hauptgrenzübergang zwischen den beiden Ländern, dafür war aber echt wenig Verkehr anzutreffen und bevor wir uns versahen, waren Cheuk und ich im Iran. Atatürks ständige Begleitung in Bildform änderte sich nun auch schlagartig und zwei neue Gesichter blickten uns von nun an ständig hinterher.
Den mörderischen Verkehr, wie es immer hieß, hatten wir in der Türkei schon mal überlebt, nun waren wir aber in einem neuen Land mit neuer Sprache, neuer Währung und anderen Menschen – völlig ahnungslos, aber bereit uns dieser Herausforderung zu stellen.
Die Geldwechseler häuften sich, jeder wollte sein Geschäft machen, doch wir wollten im Exchange-Büro wechseln. Es war nicht einfach diesen Schlag von Menschen in der Ausbeuter-Banditen-Stadt Bazargan loszuwerden und blieben doch deutlich länger dort als geplant. Nach dem Geldwechseln war ich zum ersten Mal Millionär in meinem Leben, aber wie das nun mal so ist, will jeder etwas von deinem Kuchen abhaben, so dass die umgerechnet 20€ ziemlich schnell wieder verloren waren. Einer der Geldwechsler war uns sogar hinterher gefahren und so probierten wir unser Glück aus und ich verhandelte mit ihm. Am Ende waren wir uns über den Kurs einig und wollten zustimmen, aber er gab uns 30% zu wenig. Nach meinem netten Hinweis legte er zunächst nochmal 100.000 Rial drauf, dann nochmal 50.000 Rial, aber am Ende waren es immer noch 10% unter dem Kurs des seriösen Wechselbüros. So zogen wir von dannen und kauften für den folgenden Tag ein.
Viele Iraner kommen auf uns Touristen zu und wollen wissen, woher wir kommen, ob wir den Iran genießen, wie die Leute dort sind oder wohin wir gehen. So sprach uns schon in Bazargan der erste Mann an, der sogar den dänischen Pass besaß und wollte unbedingt auf unsere Reiseräder aufpassen, drängte uns zum Geldwechseln mit dem unseriösen Schwarzmarkt-Banditen und fragte am Ende, ob wir denn nicht ein wenig Geld für ihn hätten. Immerhin war er so ehrlich uns zu sagen, dass er es in Zigaretten investieren wolle, worauf ich ihm nur antwortete, dass er der erste Iraner sei, der uns im Land begegnet und dass er es sich doch besser zweimal überlegen solle, nach Geld für Zigaretten zu betteln, und fuhr davon. Nach über zwei Stunden im Iran waren wir noch keine 5 Kilometer weit gekommen. Wir beschlossen die erste größere Stadt Maku zu umfahren, um nicht weiter aufgehalten zu werden. Doch beim Auffahren auf die richtige Straße stellte sich auf der Stein- und Schlagloch-Piste mein Hinterreifen quer, wodurch ich schon am ersten Tag bei über 30°C in der Sonne mein Rad reparieren musste. Nach 20 Minuten war zum Glück alles erledigt und wir fuhren auf die erste größere Straße auf. Es gab kaum Platz für die Räder, der Verkehr war nun hoch frequentiert und ich fragte mich, woher die ganzen Autos kommen. Es war nicht einfach in der Hitze auf einer solchen Straße zu fahren. In der Türkei waren die Tankstellen noch Anlaufstelle Nr. 1 gewesen, hier im Iran konnte man das komplett vergessen. Unsere Route führte schon hier durch wüsten-steppenartige Landschaften, ein Schattenplatz echt schwer zu finden – ein ruhiger Platz ohne neugierige Iraner nahezu unmöglich. Erst 30 Kilometer weiter stoppten wir im Schatten eines Baumes, der neben einem Weg lag, der zu einem kleinen Dorf führte.
Als wir gerade unser Lunch aufgegessen hatten, kam ein Autofahrer vorbei und stellte sich uns vor, nachdem er uns zum Tee eingeladen hatte. Wir wollten eigentlich wieder aufbrechen und weiterfahren, doch der Gastgeber bestand auf seine Einladung und so entschieden wir uns dafür doch mit ihm mitzugehen, seine Familie kennen zulernen und zu sehen wie iranische Familien in kleinen Dörfern leben. Er führte uns in einen kleinen Hof, wo wir unsere Schuhe auszogen, um in einen von zwei selbstgebauten Räumen des Hauses zu gelangen. Seine Frau und einer seiner Söhne brachten uns Cay, aber verließen nach dem Eintreten immer recht schnell den Raum. Die Hand der Frau zu schütteln war natürlich tabu und da wir noch nicht mit den Traditionen vertraut waren, ignorierten wir die Frau und bedankten uns nur mit einem kleinen Lächeln. Der Gastherr sprach zwar kein Englisch, aber machte uns zu verstehen, dass seine 4 Kinder später einmal alle Medizin studieren würden, um Ärzte zu werden. Nachdem Essen konnte sich sein ältester Sohn mit 15 Jahren doch noch zu uns setzen und da er schon ein paar Brocken Englisch sprechen konnte, lernten wir vorsichtshalber mit seiner Übersetzung ein paar Brocken Neu-Persisch – Farsi.
Da es mittlerweile schon nach 18 Uhr geworden war und wir im Iran erneut der Zeitverschiebung unterlagen, waren wir schon ziemlich müde. Uns wurde angeboten dort im Haus zu übernachten, die Nacht in einem der Räume zu verbringen und sogar Abendessen serviert. Es war ein einmaliges Erlebnis, das wir so nicht mehr im Iran erleben durften. Da die Kinder am nächsten Tag zur Schule mussten, standen wir gemeinsam mit ihnen auf und verließen sehr früh das Haus. Wir hatten zwar nicht genug geschlafen, waren aber froh, Maku umfahren zu haben, da dort am Morgen ein Azerbaijaner einen anderen Mann angeschossen hatte und wir so die Gelegenheit bekommen hatten schon am ersten Tag iranische Gastfreundschaft und Kultur erleben zu dürfen.
Dieser und der darauffolgende Tag waren sehr heiß. Es war gut so früh loszufahren, um noch genügend Zeit zu haben einkaufen zu gehen. Die erste Erfahrung, die wir nun machten, war die Suche nach Brot, da dieses nicht mehr in den nicht vorhanden Supermärkten zu finden war – auch nicht in den kleinen Shops, die als Markt-Ersatz dienten. Man musste zu den Bäckern gehen, die anfänglich nur auf Farsi beschriftet sehr schwer auszumachen waren. Da vieles nur im farsischen Alphabet geschrieben stand und keine Supermärkte mehr existierten, kostete das Einkaufen und Zusammensammeln aller wichtiger Nahrungsmittel enorm viel Zeit. Selbst Obst und Gemüse waren deutlich schwerer zu finden als noch in der Türkei. Doch mit der Zeit und den ersten Tagen relativierte sich auch das. Die Straßen wurden größer, die Seitenstreifen breiter und der Verkehr kalkulierbarer. Es war zwar irrsinnig heiß, aber nach dem vielen Regen in der Türkei genossen wir das und machten in der Mittagszeit stets ausgedehnte Ruhepausen. Die Berge verschwanden mit der Zeit und bald konnte man in der Ferne keine Steigungen mehr erkennen. Doch das lag eher an dem vielen Schmutz bzw. Sand, der in der Luft war und so teilweise die Weitsicht ungemein einschränkte.
Am Mittag des zweiten Tages hatten wir gerade einen Bergpass hinter uns gelassen, als wir – nachdem unser Wasser ausgegangen war – in einem Restaurant stoppen konnten. Dort trafen wir auf die zwei Schweizerinnen Babara und Lilo, die mit dem Fahrrad und Anhänger auch auf dem Weg nach Teheran waren. Die beiden Krankenschwestern hatten im Alter von 54 und 60 Jahren nochmal dieses Projekt gestartet, was mich beeindruckte. Wir entschieden uns am Abend gemeinsam zu campen und es machte mächtig Spaß im Vierer-Konvoi über die Straßen zu fahren. Als wir gegessen hatten und unsere Zelte neben der Straße aufbauten, kam aus dem Nichts ein starker Wind und blies mein Zelt weg. Ich hatte keine Heringe benutzt, was sich im Iran als leichtsinniger Fehler herausstellte – von nun an ging ich immer auf Nummer sicher.
Durch das Zusammenfahren musste ich zwar Kompromisse bei der Geschwindigkeit machen, genoss es aber in der Gruppe zu strampeln. Schließlich fuhren wir auch noch den zweiten Tag im Konvoi und selbst kleine Sandstürme und Gegenwind waren nicht stark genug um uns zu stoppen. Wir wollten nun gemeinsam Teheran erreichen und trafen am darauffolgenden Tag in Marand auf einen Warmshower, der Reise-Radler wie Münzen bzw. Briefmarken sammelte. Vor zwei Jahren hatte er damit angefangen und ich war bereits Nummer 334. Er empfing uns mit Fruchtsaft, lud uns zum Essen ein und bezahlte uns ein Hotel. Wir sollten alle gemeinsam in einem Raum schlafen, was aber im Iran zu echt großen Problemen führen kann. Uns wurde dadurch als unverheiratete Weggefährten etwas unwohl, so dass wir uns letztendlich dazu entschieden mit offener Zimmertür zu schlafen, um dann in einen kurzen Schlaf zu fallen.
Am nächsten Morgen wollte uns der Warmshower-Host noch verabschieden, aber als er um kurz nach 7 Uhr noch nicht vor dem Hotel war, fuhren wir los. Die Straße stieg mächtig an und wir kamen nur sehr langsam voran, Gelegenheit für den Warmshower uns einzuholen und uns mit Broten zu versorgen. Ich war wirklich überrascht von ihm und seiner verrückten Leidenschaft.
Es ist nicht einfach im Iran WiFi zu finden und da wir zu viert reisten, verzichteten wir auf weitere Couchsurfer und fuhren nach Tabriz ein. Kurz vor der Stadt hatten wir gehört, dass es dort einen Passenger-Park gab, in dem man kostenlos übernachten konnte und der sogar eingezäunt und in der Nacht bewacht wurde. Als wir diesen schließlich nach einer anstrengenden Suche in der 2-Millionen-Einwohner-Stadt gefunden hatten, überreichte uns ein Autofahrer vier Reis-Portionen mit Hühnchen. Wir waren sehr müde, aber durch diese Geste so überrascht, dass wir uns wirklich dankbar zeigten. Vor dem Essen gab es aber noch einen kurzen Fototermin mit unserem Spender, die wir in dieser Art wie Superstars ständig im Iran hatten. Er musste die Portionen wohl gekauft haben und uns anschließend nachgefahren sein. Mit dieser außergewöhnlichen Geste warf Tabriz in der Nacht einen besonderen Schatten auf uns und es war nicht einfach den guten Platz am frühen Morgen wieder zu verlassen.
Der Verkehr in der Stadt war ziemlich chaotisch, man musste vollkommen konzentriert sein, besonders da wir nun nur noch zu dritt unterwegs waren, da Lilo sich die Stadt noch zwei weitere Tage anschauen und dann später mit dem Zug nach Zanjan fahren wollte. Wir mussten in der Zwischenzeit 2 Pässe und über 300 Kilometer zurücklegen, was sich aber am Ende als doch recht einfach herausstellte. Die Hindernisse waren ohne große Mühe schnell erfahren, so dass wir schon am frühen Abend nach einem Platz Ausschau hielten und auf einem Schild mit rotem Halbmond fündig wurden. Keine 10 Kilometer später gab es ein Haus der Pendant-Organisation des roten Kreuzes und da wir im Vorfeld gehört hatten, dass man dort übernachten könne, probierten wir es aus. Es war kein Problem die Nacht dort zu verbringen, die Mitarbeiter empfingen uns herzlich und so nahmen wir diese Möglichkeit gerne an. Wir unterhielten uns bis spät in die Nacht, kochten gemeinsam und kamen mal wieder kaum zum Schlafen. Hier erfuhren wir auch ganz nebensächlich von dem Sandsturm in Teheran, der 5 Menschen das Leben gekostet hatte und wohl nur alle 10 Jahre in dieser Stärke in Teheran wütet. Wir hatten im Vergleich zu diesem nur kleine Sandverwehungen abbekommen, die die Sicht aber auch erheblich einschränkten und so auch gefährlich waren.
Am darauffolgenden Tag trafen wir auf Markus, einen deutschen Solofahrer, der nach Australien fahren wollte. Er begleitete uns für zwei Tage bis nach Zanjan und gab mir viele Tipps wie ich meine sieben Sachen noch weiter abrüsten konnte. Mit ihm waren wir wieder zu viert und zelteten schon am Nachmittag an einem idyllischen Fluss. Dieser diente einigen iranischen Familien als Waschmaschine, in der die ganzen Haus-Teppiche gewaschen werden konnten. Wir fuhren zwar im Tal, aber ringsherum gab es mächtige Berg-Mauern, die teilweise durch Tunnel untergraben wurden. Sie waren zwar alle nicht länger als 200m – 500m aber für Fahrradfahrer doch nochmal etwas gefährlicher. Es war beängstigend, wenn man im Dunkeln kaum die Straße ausmachen konnte und hinter einem das tösende Geräusch der LKW hörte, die einem kaum Platz zwischen Fahrzeug und Tunnelwand ließen. Dafür ist das Gefühl wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen unbeschreiblich und es tut gut wieder ins Freie zu kommen und aus der dunklen bedrohlichen Röhre heraus zu sein.
Am dritten Tag kamen wir schließlich in Zanjan an. Der Weg führte wieder leicht bergauf, aber am Abend konnten wir einen Platz im Park finden. Je weiter man in den Iran fuhr, desto gastfreundlicher aber auch aufdringlicher wurden die Menschen. Viele wünschten uns ein „Welcome to Iran“, „Welcome to my city“, sprachen mich mit „How are you, Mister?“ an und wollten wie auch in der Türkei immer Probleme lösen. Nach einiger Zeit kamen aber immer nur noch die selben Fragen, sie wollen wissen woher du kommst, sind dann zufrieden und ziehen weiter.
Lilo, die uns wieder ab Zanjan begleiten wollte, kam erst nachts gegen zwei Uhr an. Babara und Cheuk fuhren zum Bahnhof, um sie abzuholen, während Markus und ich auf die Zelte aufpassten. Wir wollten gerade zu Bett gehen, als die Polizei vorfuhr und etwas weiter erhöht zwei Polizisten ausstiegen, diskutierten und nichts richtig mit uns anzufangen wissen konnten. Nach einer viertel Stunde kam ein zweiter Wagen und es waren schon fünf Polizisten, die nun etwas abseits von uns standen. Nach einiger Zeit endlich kam einer der fünf herunter zu unseren Zelten, leuchtete uns ins Gesicht und stieg wieder ins Auto zurück, um mit den anderen zu diskutieren. Nach weiteren 10 Minuten kam einer zu uns und wollte uns warnen „Warning, Warning!“. Der Platz schien wohl ihrer Meinung nicht ganz sicher zu sein. Wir sollten 500 Meter weiter neben die Polizeistation umziehen. „Warning, Warning!“ Weshalb es nicht sicher war, konnten sie uns nicht vermitteln und wir versuchten ihnen klar zu machen, dass unsere Freunde weg waren und wir nicht umziehen konnten. Wir zeigten uns aber kompromissbereit und packten etwas Zeug in unsere Taschen.
Nach weiteren 5 Minuten wollten sie dann endlich unsere Ausweise sehen, es schien als hätten sie sich die ganze Zeit nicht getraut danach zu fragen. Die Polizisten waren die ganze Zeit echt freundlich gewesen, wussten aber einfach nichts mit uns anzufangen. Letztendlich ließen sie uns aber doch dort schlafen, als sie das Problem verstanden. Aber gegen 3.00 Uhr wollten sie wiederkommen, um zu schauen, ob alles in Ordnung sei, was sie dann
tatsächlich auch machten.
Nach der kurzen Nacht verließ uns Markus am Morgen und auch meine Pläne änderten sich. Was anfangs noch so aussah, als könnte man zusammen bis nach Australien radeln, scheiterte letztendlich am individuellen Tempo und der menschlich unterschiedlichen Einstellung des Reisens. Babara und auch Cheuk fühlten sich durch mein auslaufendes Usbekistan-Visum zu sehr unter Druck gesetzt, was für mich bedeutete dann ab Teheran alleine weiterzufahren. Ich nahm mich am folgenden Tag etwas zurück und ließ die anderen entscheiden und so kamen wir am Ende auch nur auf 80 Kilometer bis zum UNESCO-Weltkulturerbe Sultanhie, wo die höchste handgemachte Moschee-Kuppel der Welt zu finden ist. Es wurde entschieden dort zu übernachten, was sich als wirklicher Glückstreffer für mich entpuppte. Am Abend stieß nämlich noch der 55-jährige Reiner auf uns, der bis nach Shanghai fahren wollte und auch den Pamiern-Highway nicht alleine in Angriff nehmen wollte. Nach zwei gemeinsamen Tagen sah unser Plan nun tatsächlich so aus, diese Hochgebirgsstraße zu zweit zu fahren.
In Takestan, ca. 150 Kilometer vor Teheran war es schließlich soweit. Unser Fünfer-Konvoi war zu langsam für Reiner und ich beschloss gemeinsam mit ihm nach Teheran zu fahren, um nicht noch einen Tag zu verlieren. Der Gegenwind war zu hart für die anderen, so dass sie eine Pause in der Nähe eines Kraftwerks einlegen mussten und auch dort zelten wollten. Wir beschlossen uns dort zu trennen, machten Abschlussfotos und nach über eineinhalb Monaten mit Cheuk endete unsere gemeinsame Reise dort. Doch es kam mal wieder ganz anders als geplant: Reiner und ich waren gerade auf die Räder gestiegen um loszufahren, als ein Auto vor uns hielt. Geheimpolizisten in grüner Uniform stiegen aus und wollten sofort unsere Pässe sehen, von Spaß und Freundlichkeit keine Spur.
Wir verdeutlichten ihnen, dass wir bis nach Abyek fahren wollten und die anderen hier zelten wollten und fuhren mit seiner Zustimmung nun zu zweit los. Doch keine 5 Minuten später kamen sie von hinten im Inkognito-Auto angedüst und bremsten uns aus. Wir sollten auf die anderen warten und dann im Fünfer-Konvoi unter Polizeibewachung gemeinsam bis nach Abyek fahren. Doch nach 3 Kilometern täuschte Babara ein Problem mit ihrem Rad vor. Ich ging zu dem Agenten und zeigte auf meine nicht vorhandene Uhr, um deutlich zu machen, dass wir zu zweit weiterfahren müssen, damit es nicht zu spät werden würde. Wir bekamen erneut die Zustimmung zu zweit weiterzufahren und Babara machte in der Zwischenzeit klar, dass Lilo Herzprobleme hatte und nicht weiterfahren konnte.
Reiner und ich sind aus dem Schneider, unser gemeinsames Rad-Abenteuer kann beginnen. Doch keine 10 Kilometer später stoppt uns der Agent erneut – wir schaffen es einfach nicht ihm zu entkommen. Er hat einen Abschleppwagen im Gepäck, auf dem schon Cheuks, Lilos und Babaras Fahrräder samt Gepäck montiert sind. Der Agent lässt uns keine Wahl, unsere Reiseräder müssen auch auf den Wagen. Doch es gibt ein Problem, es gibt keine Seile mehr zum befestigen, so dass wir wirklich Angst um unsere Räder bekommen. Selbst im Wagen ist nur noch Platz für eine Person und so zwingt mich der Polizist letztendlich mit Gewalt und leicht aggressiv auf der unbefestigten Ladefläche Platz zu nehmen und die Räder während der unruhigen Fahrt festzuhalten, besser gesagt zu umklammern. Es wird eine Fahrt ins Ungewisse – nicht angeschnallt zu sein und nur auf einer kleinen Ablage ohne Festhaltemöglichkeit zu sitzen, sorgt für ein wirkliches Unwohlsein, doch ich bin zu beschäftigt die Räder festzuhalten, damit sie bei der rasanten Fahrt nicht herunterrollen. Immerhin haben wir sie halbwegs sicher verfrachten können, so dass wohl nichts kaputt gehen konnte. Ich blicke von der Ladefläche auf das Agentenauto und sehe den Polizisten lachend telefonieren und denke mir nur, was für ein…
Nach 20 Minuten kommen wir in Abyek an. Dort werden wir bereits von 6 weiteren Polizisten erwartet. Wir bekommen die Zeit alles zu entladen und nach unseren Rädern zu schauen, während der Abschleppwagen-Fahrer von uns Geld fordert. Wir verweigern und nach einer weiteren viertel Stunde ziehen der Fahrer mit den beiden Agenten ab. Ich frage die zurückgebliebenen Polizisten, ob wir im Park campen können, doch sie verbieten es uns und wollen, dass wir noch weitere 15 Kilometer fahren, um wohl in die nächste Stadt heraus aus ihrem Zuständigkeitsbereich zu kommen. Wir fahren also los, zwei Polizisten auf dem Motorrad begleiten uns, doch plötzlich schlägt das Wetter um und der erste Platzregen im Iran kommt über uns herein. Wir fahren noch 500 Meter weiter und stellen uns schutzsuchend bei einem Teppichhändler unter, die zwei Polizisten sind verschwunden. Ihnen war das Ganze wohl auch zu blöd, gerade bei so einem Wetter. Wir werden von dem Händler herzlich empfangen, bekommen Abendbrot und können in einer riesigen leeren Lagerhalle übernachten.
Am nächsten Morgen trennen wir uns nun endgültig. Der Weg nach Teheran ist wieder frei und keine Polizisten anwesend, die uns überwachen. Es ist richtig heiß geworden, in der Sonne knapp 50°C, daneben noch unglaublich viel Verkehr und schlechte Luft. Kein Wunder, denn Teheran zählt mit ca. 15 Millionen Einwohnern zu einer der verschmutzesten Städte der Welt.
Doch am Ende war es einfacher in diese Großstadt einzufahren als nach Istanbul. Nach über 110 Kilometern in ständigem Lärm und rußiger Luft kommen wir im Norden Teherans unter, wo wir herzlich empfangen werden. Etappenziel 2 ist nun nach knapp über 6000 Kilometern erreicht. Nun heißt es erstmal Visa für Turkmenistan, Tadjikistan und China zu beantragen.