Thailand: 29.11. – 14.12.2014

Tanken, Strände und Tiergeschichten

Nie zuvor hatten wir so einen kaotischen Grenzübergang erlebt wie in Thailand. Ohne richtigen Ansprechpartner wurden wir von einer Schlange zur anderen geschickt, was jeweils mit über 200 Menschen zu langen Wartezeiten führte. Es war Hochbetrieb in der kleinen Halle und die Beamten hatten viel zu tun.
Überall nur Touristen, die wie wir im Backpacker-Königreich ankommen wollten. Nach über zwei Stunden hatten Siegfried und ich dann endlich eine 30-tägige Aufenthaltsgenehmigung im Pass, die uns Einlass in eine neue Welt gab.
Neu – das war der erste Kontakt mit dem Linksverkehr, der unsere gesamte Aufmerksamkeit beanspruchte. Ab und an passierte es trotzdem, dass wir bei Kreuzungen noch in die falsche Spur einlenkten oder wie gewöhnlich, in Gedanken auf die rechte Seite lenkten, auf welcher der stärkste und wildeste Verkehr tobte, kein Platz für uns Radfahrer. Doch die Autofahrer schienen hier toleranter zu sein und so ließen sie uns „Anfängern“ doch genügend Zeit und Platz, um wieder möglichst weit nach links zu ziehen. Meist gab es einen scheinbar sicheren Seitenstreifen, den wir aber mit nervenden Motorradfahrern teilen mussten. Zu Beginn fuhren wir deshalb bewusst auf der falschen Straßenseite im Gegenverkehr, da es uns sicherer erschien immer alles im Blick zu haben, doch als der Verkehr in Richtung Bangkok stärker wurde, war das Risiko eines Unfalls doch zu groß und wir gaben uns schließlich mit dem Linksverkehr zufrieden.

Zuletzt in China gesehen, gab es in Thailand wieder richtige Supermärkte, in denen alles zu finden war. Neben „Baumarkt-Qualität“-Zelten und Schlafsäcken gab es auch Kameras und Stative zu kaufen. Vietnam und Kambodscha waren hart, Thailand nun ein echter Segen, denn endlich waren wir wieder in „unserer“ Welt angekommen. Mit dazu die ständige Verfügbarkeit aller erdenklichen Waren.
Die Highlights waren die täglichen Groß-Supermarkt-Besuche, die kühl klimatisiert eine Flucht aus dem Verkehr in den Konsum ermöglichten. Alles schien ordentlicher und gesittener zuzugehen. Die Grundstücke waren aufgeräumter und Menschen zurückhaltender.
Endlich war das Zelten problemlos machbar, niemand störte sich an uns und die gelegentlichen Regenschauer (trotz Trockenzeit) nahmen wir ganz nebenbei zur Kenntnis.

Je weiter wir uns der Hauptstadt näherten, desto stärker wurde der Verkehr. Die Einfahrt in die Megametropole war ein ereignisloser aber anstrengender Abschnitt. Mit hoher Geschwindigkeit rasten die Fahrzeuge an uns vorbei und der sonst dreckige Seitenstreifen war teilweise nicht mal mehr vorhanden, was dazu führte, dass unsere möglichen Fahrfehler schnell tödlich bestraft werden würden. Doch mit voller Konzentration und trotz des Linksverkehrs schafften wir es im hektischen Bangkok anzukommen. Nicht ganz unschuldig war der aufkommende Auto-Stau bereits 30 Kilometer vor der Stadt, durch den wir uns in gewohnter Manier durchschlängeln konnten.
Bei über 40°C verbrachten wir so den 1. Advent im Automeer, machten jedoch viele Pausen, um mal kurz aus der Schussbahn zu sein, bevor wir uns wieder mit tausenden von Menschen die Straße teilten. Es ging eng zu und die Ampelzeiten dauerten ungewöhnlich lange, was in der knallenden Hitze echt anstrengend war, da immer wieder der kühlende Fahrtwind aussetzte. Immerhin besaßen wir eine Hostel-Adresse, die uns die Suche nach der Unterkunft ersparte. Ohne Internet und Steckdosen waren die Zimmer sehr spärlich eingerichtet, zu finden nur zwei Betten und ein Ventilator – mehr Luxus brauchten wir nicht. So dachten wohl auch andere Radfahrer, denn die schienen hier täglich zu wechseln. Ein Engländer gab mir die Adresse eines guten Radladens, um mein verschlissenes Tretlager zu ersetzen, ein Südafrikaner tourte seit 8 Jahren um die Welt und mit den ganzen anderen hatten wir kaum Zeit zu reden. Im Mittelpunkt stand schließlich die Erkundung Bangkoks, natürlich mit dem Rad. Vom historischen Teil aus fuhren wir zum Siam Square und ins Hochhaus-Geschäftsviertel, um einen unvergesslischen Blick aus dem 59. Stockwerk eines Luxushotels über die ganze Ausmaße der Stadt zu bekommen. Zurück pedalten wir durch das hektische Chinatown und den gepflegten Palast-Trakt, nach dem wir reif für das leckere überall angebotene Straßenessen waren. Es schmeckte gut, war günstig und schnell zubereitet, so ließ es sich echt aushalten.
Unser Flieger nach Australien würde an Silvester fliegen und so blieben uns nur vier Tage für die Stadt, um unseren Plan „Singapur“ nicht zu gefährden.

Am 5. Dezember, dem Geburtstag des Königs verließen wir die von Gelbhemden eingehüllte Stadt. Unser ausgewählte Weg führte uns nun entlang der Hauptverkehrsstraße nach Süden. Wie auch schon die Einfahrt war der Weg hinaus anstrengend, laut und voll. Hinzu kam noch das bevorstehende Wochenende an dem viele nach Hua Hin reisten, um ein wenig der Großstadt zu entkommen und sich an den Stränden des Lebens zu erfreuen.
Auch wir wollten uns erfreuen, fanden jedoch keinen guten Schlafplatz. Etwas abseits der asphaltierten Straße war ein steiniger und ameisen-reicher Platz, gegenüber ein von 100 Affen eingenommener Tempel. Wir fuhren weiter und stießen kurze Zeit später in einem buddhistischen Tempelkomplex auf die Gelegenheit zum Zelten. Hier lebte jedoch breitgemacht ein Rudel Hunde, die die ganze Nacht bellen sollten. Hinzu gesellten sich noch die zutraulichsten Katzen, die ich je gesehen hatte. Unverschämt setzten sie sich auf unser Zelt als wir es gerade aufbauten, kuschelten sich an uns und unser Gepäck und wollten nicht mehr verschwinden. Die ganze Tierlieberei war ja in der Theorie ganz toll, doch in der Praxis nervig. Die Hunde jagten uns wieder hinterher, die Katzen und Affen zeigten wo es lang ging und die Ameisen waren in ganz Südostasien zuhause – wo hatte der Mensch denn noch etwas zu sagen? Die Antwort bekamen wir einen Tag später, als wir eine 2 Meter lange, arm-dicke Schlange überfahren auf der Straße liegen sahen. Beim Verkehr gaben die Asiaten den Ton an, da musste selbst unsere Spezies der Radfahrer ab und an Haken schlagen.

Unser erstes Bild von Thailand veränderte sich. Wir sahen nicht mehr das saubere und gut zu fahrende Land, in dem es anscheindend so viel Wohlstand gab. Wir kamen beim Verlassen der ausgebauten Hauptrouten schnell in ärmlichere Gegenden, in denen der Unterschied zu Kambodscha kaum noch auffiel. Der betriebene Königskult und die bunten Flaggen waren jedoch weiterhin und ständig zu sehen, was uns signalisierte, dass wir immernoch im selben Land unterwegs waren.
Zurück auf dem Highway schien die Welt wieder in Ordnung und wir konnten in einer Polizeistation übernachten. Mit freiem Wifi gab es nun die Möglichkeit weitere anstehende Flüge zu buchen, was wegen Kreditkartenlimit-Schwierigkeiten jedoch bis 3.00 Uhr nachts dauerte. Die zwei darauffolgenden Tage war ich noch immer platt. Genügend Ruhe- und Schlafphasen waren gerade bei so ausgedehnten Sporteinheiten enorm wichtig – drei Stunden Schlaf definitv zu wenig.

Wir hatten Nikolaus und wieder um die 40°C. Ohne aufkommende Weihnachtsgefühle war es an diesem Tag das erste Mal, dass ich im Pazifik badete. Das salzige Wasser war warm, der kleine Sandstrand schön, doch Urlaubsgefühle kamen auch nicht richtig auf, man war ja zum Radfahren hier. Mit Schwimmen kamen wir nicht weiter, außer wir verpassten den Flieger nach Australien.

Nach unserer Tiergeschichten-Tempel-Erfahrung ließen wir in Zukunft lieber Abstand von den zahlreichen am Wegesrand gelegenen Religionsstätten und suchten unsere Erlösung bei den Tankstellen. Tanken anstelle von Tempeln war das neue Motto, denn diese boten in Thailand ganz schön viel. Richtige Rastplatz-Paradiese waren es und teilweise die einzigen Stellen, die wir tagsüber aufsuchten. Manchmal gab es sogar Themen-Rastplätze (z.B. wilder Westen), auf denen dann Bänke und Pappschilder angepasst waren.

Seit China traf es keinen mehr von uns, es war höchste Zeit für einen Platten bei Siegfried. Macht nichts, dachten wir uns und reparierten den Schlauch an Ort und Stelle. Kurze Zeit später kam die Polizei angefahren, stieg aus und machte Fotos. Sie wollten wissen, was passiert sei und erkundigten sich, ob alles in Ordnung wäre. Am Ende wiesen sie uns noch auf die Nummer 1193 hin, die wir anrufen könnten, wenn es tatsächlich mal nötig werden sollte. Die Nummer war doch viel zu lang und kompliziert, doch wir merkten uns die Zahlen einfach mit: „Wähle elf neun drei für die Highwaypolizei!“

Es war heiß und schwül. Bewegung machte nicht immer Spaß, was ein Glück, dass das Essen nahezu immer in Sichtweite stand. Da musste man sich kaum bewegen, aber bekam dennoch Energie. Das sah man den Thais auch direkt an, denn ein Großteil der Bevölkerung war einfach fett. Man konnte es kaum anders sagen, doch Thailand schien das Amerika Südostasiens zu sein. Vor vielen Supermärkten standen Gewichtswaagen und BMI-Messgeräte, die einem mit ausführlichen Tabellen darauf hinweisen, ob man nicht schon zu dick war. Genutzt wurden sie aber nur von dünnen Leuten, die anderen fand man auf den Fußmassagebändern, die einem nach der andauerenden schweren Belastung die Füße massierten. „Wer braucht schon Waagen, nebendran gibts Massagen.“
Wir jedoch quälten uns auch bei 43°C noch weiter. Sport war bei diesen Temperaturen wahrscheinlich eher ungesund, doch da lange keine Pausenoption erschien, mussten wir immer weiter treten. Nachts fanden wir dreimal hintereinander eine Zeltmöglichkeit in Kautschuk-Plantagen, da aber gerade Erntezeit war, streiften mitten in der Nacht stehts die Plantaschen-Bauern ums Zelt, um ihre wertvolle Flüssigkeit einzusammeln – tagsüber konnte es wohl nicht gemacht werden. In der dritten Nacht nisteten sich dann noch Ameisen in meiner Klamottentasche ein, hunderte Ameisen, die ich erst 12 Stunden später bei nächster Übernachtungsgelegentheit loswerden konnte.

Nach 9 Tagen seit Bangkok waren wir schon in der Nähe Malaysias angekommen. Nun fuhren wir aus dem subtropischen in tropische Gefilde, was wir bei Dauerregen sofort mitbekamen. Es regnete in Strömen, die nicht vergleichbar mit Starkregen in Deutschland waren. Radfahren wurde durch die starke Sichtbeschränkung lebensgefährlich und wir mussten oft stoppen und die uneinsichtige Straße räumen, um uns irgendwo unterzustellen. Nach nur 65 km fanden wir schließlich in unserer letzten Nacht mal wieder Unterschlupf bei der besten Polizei der Welt. Wir wurden zum Essen eingeladen, schauten einen Film und schliefen wieder in richtigen Betten. Ein schöner und würdiger Abschluss, denn am nächsten Morgen sagten wir nach erneuten langen Wartezeiten an der Grenze erst einmal „Auf ein Wiedersehen Thailand“, doch dann bestimmt ohne Fahrrad und mit Badehose.

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