Bulgarien: 09.04. – 16.04.2014

Ich hatte im Vorfeld einiges über Bulgarien gehört und war nun gespannt mir selbst ein Bild über dieses Land zu machen. Ist es wirklich so gefährlich dort zu reisen, sind die Hunde aggressiv und wie reagieren die Zigeuner auf uns? Der erste Eindruck war auch nicht sofort so positiv wie in Rumänien. Die Grenzbeamten waren nicht sehr freundlich und es gab keine Beschilderung für den richtigen Weg. Doch nach kurzer Suche fanden wir die einzige Straße, die aus dem Dorf herausführte. Die Leute schienen zu Beginn nicht sehr offen zu sein, denn es wurde kaum gegrüßt. Recht schnell hinter der Grenze fanden wir wieder einen Schlafplatz und konnten am nächsten Morgen mit der Sonne starten.

Auf dem Weg nach Vidin wurden wir von einem Autofahrer angehalten, der von uns wissen wollte, ob Polizei auf der Strecke zur Grenze patrouillieren würde. Tatsächlich hatten wir nur zwei Kilometer zuvor drei Beamte gesehen, die die Autofahrer kontrollierten. Was für ein Start in ein neues Land – in Vidin angekommen, fanden wir einen Lidl und wurden direkt von drei kleinen Zigeunerjungen angebettelt, die nicht von uns lassen wollten und die ganze Zeit unsere Räder und Einkäufe beäugten und betatschten. Hier erfuhr ich das erste Mal die Hilfe eines Bulgaren, der die Kinder anbrüllte, so dass sie abhauten. Als er ging, drehten die Kinder aber wieder um und kamen zurück, woraufhin der Bulgare auch kehrt machte und die Kinder nun komplett verscheuchte.

Neben den vielen Zigeunern war auch das Stadtbild nicht sehr ansprechend. Nur Häuser im Sowjetbaustil, der sich durch ganze Straßenzüge zog. Die ersten zwei Tage waren somit eher von nicht so schönen und offenherzigen Erfahrungen geprägt. Wir wussten nun auch, dass die ersten großen Berge auf uns warten würden, was den Abschied von der flachen Donau bedeuten sollte. Deutlich bergiger als gedacht, war schon der Weg nach Montana, das aber noch vor dem Gebirgszug lag. Dort kamen wir bei Dirk, einem deutschen Farmer unter, der uns bei Regen wirklich herzlich empfing und uns dazu überredete noch einen weiteren Tag in Montana zu bleiben, was am Ende auf jeden Fall die richtige Entscheidung war. Es machte Spaß mal wieder ein paar Sätze auf Deutsch zu sprechen, aber gleichzeitig durch zwei Freundinnen von Dirk auch mehr über Bulgarien zu erfahren.

Bei der Ankunft in Montana lud er uns direkt in ein Café ein und kurze Zeit später in ein nettes kleines Restaurant, in dem wir dann zu Abend aßen. Eine Bulgarin, eine Rumänin, ein Franzose und zwei Deutsche – eine definitiv lustige Runde. Hier lernten wir ein paar bulgarische Bräuche kennen und erhielten großartige Reisetipps für die Türkei und Istanbul. Am nächsten Morgen nahm uns Dirk mit auf seine Arbeit und erzählte mir viel Neues über die Feldarbeit. Er sprach offen über die Arbeitsbedingungen, das schlechte Land und die verschiedenen Arten ein Feld zu bewirtschaften. Am Ende durften wir sogar noch Traktor fahren und ich drehte das erste Mal mit diesem riesen Gefährt eine Runde um den Hof. Es war wirklich einfach zu fahren, aber ich musste ja auch nichts sprühen oder aussähen, was ich mit den vielen Knöpfen nicht hinbekommen hätte.

Es war nicht einfach Montana zu verlassen und sich auf den Weg in die Berge zu machen, aber zum Glück wartete schon eine bulgarische Familie am Abend auf uns. Der Weg war schon anstrengender als normales Fahrradfahren, hielt sich aber durch eine leichte kontinuierliche Steigung in Grenzen. Nur zwei wirklich steile Stellen machten mir zu schaffen, so dass ich schieben musste. Es ist nicht leicht seine Motivation aufrechtzuerhalten, wenn hinter jeder weiteren Kurve ein noch längeres und steileres Stück darauf wartet im Schneckentempo erklommen zu werden.

Doch nach jedem noch so hartem Anstieg folgt auch wieder eine Abfahrt, die man bei guten Straßenverhältnissen echt zu schätzen weiß. Das ständige Auf und Ab gibt einem ein sehr gutes Bild über die Landschaft und welch unglaubliche Erleichterung ein motorbetriebenes Fahrzeug für unser Leben ist. Die meisten Autofahrer rasen an uns vorbei, nehmen die Berge kaum war, wir aber kämpfen uns Stück für Stück hinauf und halten am Scheitelpunkt inne, um zu verschnaufen und um die danach noch viel schöner erscheinende Landschaft zu genießen.

Maria, die Mutter der bulgarischen Familie, holte uns im Zentrum von Botewgrad ab und fuhr mit dem Auto voran zu ihrer Wohnung. Dort begrüßten uns jede Menge Menschen, ihre zwei Kinder und die Nachbarsfamilie, was im ersten Moment anstrengend aber im weiteren Verlauf des Abends auch sehr lustig war. Dieser Abend, eine Woche vor Ostern ist für orthodoxe Christen ein besonderer Tag, an dem die Kinder von Tür zu Tür gehen, Lieder singen und dafür Süßigkeiten bekommen. Es machte Spaß die Zeit trotz Sprachbarrieren mit den Familien zu verbringen und so einen tiefen Einblick in ihr Leben zu bekommen.

Viel zu schnell war jedoch alles vorbei und wir saßen wieder auf den Reiserädern. Maria nahm am Morgen kurzerhand ihren Wagen und chauffierte uns die erste halbe Stunde durch die Stadt und zeigte uns den richtigen Weg, den wir durch die Berge nehmen konnten. Wir fuhren mit unseren Rädern hinterher und alle paar hundert Meter stoppte Maria wieder, um auf uns zu warten. Wir waren sehr dankbar für ihre Hilfe, da wir so einen anderen, wenig befahrenen Weg kennenlernten, der mitten durch die Natur, aber niemals zu steil verlief.

Da keine größere Stadt auf dem Weg lag, um Couchsurfing zu machen, nächtigten wir am Fuße eines schneebedeckten Berges auf 900m Höhe. Die Nacht war zwar ungeheuer kalt, aber das Gefühl und die Ruhe unbeschreiblich. Es war einer der ersten Abende, die mir das Gefühl gaben, genau das richtige zu machen und am richtigen Ort zu sein. So hatte ich mir das Zelten für meinen gesamten Trip vorgestellt, nur die Temperaturen hätten wärmer sein können. Bei Temperaturen um die Null Grad zogen wir uns recht schnell ins warme Zelt zurück und konnten nicht die ganze Atmosphäre aufsaugen.

Als wir uns am nächsten Morgen aufmachten, dachten wir schon, dass wir die Berge nun hinter uns hätten, mussten dann aber doch noch auf knapp 1100m aufsteigen. Dafür wurden wir aber mit einer 10 km langen Abfahrt belohnt, die nonstop 500 Höhenmeter hinabführte. Was für ein gutes Gefühl so schnell voranzukommen und in kurzer Zeit jede Menge Kilometer zurückzulegen. Beflügelt durch diese Abfahrt hatte uns nun der Ehrgeiz gepackt noch an diesem Tag Stara Zagora zu erreichen. Es war nicht leicht, aber gegen Abend kamen wir nach ca. 150 Kilometern bei Petko unter. Er zeigte uns am Abend die Stadt, die so viel schöner war, als die ganzen Städte, die wir zuvor gesehen hatten. Es gab wirklich ruhige Gegenden mit vielen Grünflächen und auch die Innenstadt war mit vielen Lichtern und Ruhebänken schön hergerichtet.

Die darauffolgenden Tage sollten vom Wetter wieder nicht zu gut ausfallen, sehr viel Wind und vereinzelt Regen machten uns den Alltag schwer. So kamen wir auch nur knappe 70 km weit und suchten während des Sonnenuntergangs ein schönes Plätzchen. Sehr viel Industrie und ein Atomkraftwerk machten die Schlafplatzsuche schwer, aber nach weiteren 10 Kilometern bogen wir rechts von der Straße ab und kamen auf einer hügeligen Wiese unter, die mich ans Auenland erinnerte. Dieser Platz war wie das Paradies für uns, nachdem wir die letzten 2 Stunden zuvor keine geeignete Fläche finden konnten. Doch die Sache hatte einen Haken, das Gelände war privat und die Besitzer kamen kurze Zeit später mit ihrem Wagen auf dem Weg nach Hause bei uns vorbei.

Zum Glück konnten wir uns auf Englisch verständigen und erhielten die Erlaubnis an diesem Platz zu schlafen. Sie warnten uns jedoch vor den vielen Hunden und den Zigeunern, die hier im gesamten Umkreis wohnten. Doch die Nacht verlief friedlich und nur der Regen störte am Morgen beim Packen. Doch die Motivation nun endlich wieder in ein neues Land zu kommen, überwog die triste Stimmung. Ich freute mich schon auf die Türkei und auf die Dusche, die uns in Edirne bei einem Couchsurfer erwartete.

Der Verkehr hatte deutlich zugenommen, die Zigeuner und deren Hunde nervten mich mittlerweile und der Wind ließ einfach nicht nach. Doch ca. 6 Kilometer vor der Grenze kam die Erlösung, da sich eine kilometerlange Schlange aus unzähligen LKW gebildet hatte. In deren Windschatten entflohen wir aus Bulgarien, kauften mit unserem letzten bulgarischen Geld einen Snack und reisten nach bestimmt 8 Kontrollen in die Türkei ein.

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