Flucht aus den Tropen
Die letzte Woche in Asien bricht an und wir zählen die Tage bis Australien. Der lang ersehnte Abschied aus den anstrengenden Tropen steht kurz bevor, wir müssen nur noch bis Silvester zurück nach Kuala Lumpur fahren, um am 31.12. um 23.55 Uhr mit dem Flieger abzuheben, um in ein neues Land zu gelangen und hoffentlich ein grandioses Neujahrs-Feuerwerk zu erleben.
Siegfried und ich fahren entlang der Küste zurück nach Norden, das Wetter ist weiterhin regnerisch – seit mittlerweile zwei Wochen. Entlang der Straße von Melakka führt uns die Straße M5 immer wieder ans trübe Meer. Auf der anderen Seite erblicken wir Sumatra bzw. Indonesien, das ca. 50-100 Kilometer entfernt vor der Küste liegt. In unserer ersten Nacht finden wir Unterkunft in einem neuen Rohbau direkt am Ozean gelegen neben dem Hotel „Seaview“. Es ist traumhaft und die Nacht ruhig – bis irgendwann die nervtötenden aufgemotzten Mopedfahrer vorbeidröhnen. Das ist nunmal Asien, aber bald sind wir ja weg.
Die Tage sind recht ereignislos, wir fahren im Dauerregen entlang von Küste oder Palmöl-Plantagen immer weiter. Direkt vor der Stadt Melakka nisten wir uns in einer Umbau-Villa ein, ein weiteres Mal Glück gehabt und nur noch ein paar Nächte bis wir es endlich geschafft haben und die Mücken und den Regen hinter uns lassen.
Melakka im Regen am nächsten Tag ist eine willkommene Abwechslung und die kleinen engen chinesischen Gassen geben der Stadt ein besonderes Flair. Überall finden wir chinesische Einwohner, die ihre Kultur und Schriftzeichen stets mitbringen.
Nur noch zwei Nächte liegt der Flughafen von uns entfernt, d.h. noch zweimal ein trockenes Plätzchen finden. Ein altes Haus, mit haufenweise Gerümpel und einer Ameisenplage ist an diesem Tag die einzige Chance dem Regen zu entkommen, zum Glück gibt es zwei Besen, um den gröbsten Dreck zur Seite zu schieben. Es ist halbdunkel, die Fenster verschmiert, ein umgeklappter dreckiger Teppich am Boden. In dieses Ambiente würde eine verwesende Leiche im Hinterimmer sicherlich perfekt passen. Doch wir sind ja zu zweit, da kann ja nichts mehr passieren. Wir liegen schon im Zelt als es plötzlich an der Tür klopft. Ist da jemand oder hat jemand etwas gegen die Tür geschmissen? Bekommen wir Besuch? Wir sind ganz still und lauschen, aber nehmen nichts weiter wahr. Was könnte es gewesen sein? Siegfried steigt nochmal aus dem Zelt, um nachzusehen. Niemand da. Egal, dann war da auch nichts.
Erst eine halbe Stunde später erkenne ich Schatten im Halbdunkeln, die immer wieder in unserem Raum auftauchen.
Wir bewegen uns nicht, sondern versuchen regungslos zu erkennen, was das sein könnte. Nichts. Doch plötzlich kommt etwas bis kurz vor mein Gesicht geflogen und dreht ab. Es sind fünf oder sechs Fledermäuse, die hier zu leben scheinen. Psychoterror vom Feinsten.
Am 30.Dezember erreichen wir schließlich den Flughafen und müssen noch ein letztes Mal einen guten Platz finden. Doch es kommt nichts mehr und so fahren wir zu einer in der Ferne zu erkennenden Moschee und bitten um Aufnahme. Der Gärtner führt mich zum Big Imam, bei dem ich anfragen muss. Wie bei einer Papst-Audienz komme ich mir vor. In seinen Gemächern sitzt auch eine Frau und als sie mir ein Zimmer geben wollen, verlangen sie erst 100 RM (25), dann 50 RM. Ich sage, dass es zu viel für uns sei, da wir kein Geld mehr haben, da wir am nächsten Tag nach Australien fliegen. Daraufhin gibt er es uns kostenlos. Zwei weiche Betten und einen Ventilator, der die Mücken fernhält, Dusche und Toiletten – wir sind glücklich.
Am Abflugtag scheint schließlich die Sonne, als ob sich Malaysia bei uns versöhnen wolle. Wir fahren zum Flughafen und packen unsere Räder in Folie ein. An einer Anzeigentafel sehe ich die Nachricht „Betet für Flug QZ8501“. Ich denke mir, dass die Moslems wohl immer bei jedem Start für ein Flugzeug beten. Erst als ich nochmal ein letztes Mal meine Emails checke, erfahre ich von dem Absturz einer AirAsia-Maschine. Es ist traurig und auch ein schockierendes Gefühl, denn in wenigen Stunden heben wir mit selbiger Airline ab. Gedanken an einen Absturz wollen wir nicht verschwenden. In normaler Routine läuft ansonsten alles Weitere ab. Nach kurzen Problemen wegen unseres Packungsmaterials der Fahrräder können wir aber dennoch einchecken. Wenige Stunden später sitzen wir dann selbst im Flieger. Das neue Jahr wird noch auf dem Rollfeld willkommen geheißen und wenig später gelingt uns dann auch der berüchtigte gute Start ins neue Jahr.