Deutschland: 13.03. – 22.03.2014

Der Abschied von zuhause wurde mir sehr schwer gemacht. Meine Mutter hatte für mich eine Überaschungs-Abschiedparty geplant und so konnte ich einige Tage vor meiner Abfahrt nochmal viele meiner Freunde sehen. Das ganze Haus war voller Menschen und
ich hatte grösste Mühe mich nochmal mit allen zu unterhalten.  Bis spät in die Nacht dauerten die Gespräche und ich konnte mir nicht richtig vorstellen, was es heißen würde, all meine Freunde und die Familie über ein Jahr nicht mehr zu sehen.

Es sollten danach aber noch einige Tage vergehen, bis ich endlich starten konnte. Tag für Tag verschob ich den Start um eine weitere Nacht, da doch noch mehr Dinge zu erledigen waren als ursprünglich geplant. Neben einem Termin bei der Bank und den letzten Vorkehrungen für die Versicherung, nahm das Packen deutlich mehr Zeit in Anspruch. Es schien im ersten Moment unmöglich den ganzen Krams in die wenigen Taschen zu bekommen und so dauerte es zwei Tage bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Durch die Verzögerung und das ständige Verschieben um einen weiteren Tag staute sich jede Menge Stress zusammen.

Innerlich war ich wirklich froh als es dann endlich am Donnerstag losgehen konnte. Sebastian hatte mir angeboten mich für die erste einsame Nacht zu begleiten und so starteten wir gemeinsam in einen kühlen Morgen.  Die Strecke bis Hanau war auch
schnell gefunden und selbst das Umfahren einer großen Baustelle führte kaum zu Zeitverlust. In der Stadt selbst merkte ich, dass es nicht so leicht sein würde den Main zu finden und so brauchten wir fast 1,5 Stunden um mit der Hilfe einer Frau, die uns bis zur Mainbrücke begleitete, den richtigen Weg zu finden. Schon an diesem ersten Tag wollten einige Leute wissen, wohin es denn mit dem schwerem Gepäck gehen würde. Wie selbstverständlich antwortete ich: „Bis nach Neuseeland“ … „Ja, mit dem Fahrrad“ … „alleine und den ganzen Weg“. Es war schon lustig, da ich nicht einmal 15 km von zuhause entfernt, an meinem ersten Tag mit so einer Idee den Main aufwärts rollte.

Es sollte nicht lange dauern, bis mich dann auch die ersten Zweifel überkamen, ob ich denn dazu fähig wäre, so eine Reise zu machen. Die ersten zweieinhalb Tage mit Sebastian, der mich aufgrund meiner Verfassung noch eine weitere Nacht begleitete, waren bei vollem Sonnenschein eigentlich wunderschön, wenn nicht das Lebewohlsagen schon sobald anstand. Die Nächte waren jedoch so kalt, dass das Gras morgens noch gefroren war. So kamen wir an unserem zweitem Tag auch erst gegen 11.30 Uhr von unserem Schlafplatz weg, da das Zelt komplett feucht und nass war. Wir hielten aufgrund der eisigen Kälte in der ersten Nacht auch noch alle Fenster und Türen geschlossen, was sich aber gegen zwei Uhr am Morgen rächen sollte, als wir in einem halbüberfluteten Schwimmbad-Zelt erwachten.

Bis nach Würzburg begleitete mich Sebastian und ich konnte ihn frohen Herzens am Hauptbahnhof ziehen lassen, da sich meine Mutter spontan für eine 1-Nacht-Begleitung angemeldet hatte. Es muss sehr hart für sie gewesen sein, da in den zwei Tagen nur Regen und kalter Wind über uns hinweggehen sollten. Ich war ihr aber sehr dankbar, da sie mich nach meiner eher trüben Verfassung auch trotz des schlechten Wetters begleitete. Nach einer stürmigen Nacht und etlichen Höhenmetern erreichten wir am Sonntag Nürnberg, wo wir uns schon wieder verabschieden mussten.

Nun ging es also für mich ganz alleine weiter bis ans Ende der Welt. Meine erste Nacht alleine im Wald war jedoch besser als gedacht, da es aufgrund des schlechten Wetters nicht mehr ganz so kalt wurde und auch der Wind nicht tief eindringen konnte. Ich war bereits am Main-Donau-Kanal angekommen und startete in meinen ersten Solo-Tag, als ich von hinten ein Geräusch vernahm. Ich blickte mich um und sah einen schwarzhaarigen jungen Mann, der auch schwer bepackt mit dem Rad die selbe Strecke zu fahren schien.

Schnell kamen wir in Kontakt und hatten nun genügend Zeit uns zu unterhalten. Mahid kam ursprünglich aus dem Iran und war im Oktober nach Dresden gezogen, um dort seinen Master in Bauingenieurwesen zu machen. Nun hatte er seine ersten Prüfungen hinter sich und ein Urlaubssemester genommen, um mit dem Rad durch Südosteuropa, Italien, Griechenland und Türkei nach Hause zu fahren. Diese Tour war auch seine erste grosse Tour und ein erster Test für eine Weltumradelung, die er in einigen Jahren starten möchte. Die nächsten zwei Nächte konnten wir nun zusammen verbringen und erreichten auch schon bald die Donau. Es war wirklich entspannt zu zweit zu radeln, einkaufen zu gehen und immer wieder ein paar Pausen zu machen, um auf Mahids iranischem Teppich Tee oder Kaffee zu kochen. Am dritten Tag trennten sich dann unsere Wege in Deggendorf.

Da im Iran das neue Jahr am 21.03. startet, wollte er rechtzeitig in München sein, um mit einem Freund ins neue Jahr 1393 zu feiern. Er erzählte mir ein wenig von der iranischen Kultur und was zuhause im Iran jeweils an den Tagen zuvor gemacht wurde. Es gibt immer ein großes Feuerwerk, die großen Familien kommen zusammen und starten zur exakten Zeit ins neue Jahr. Dies wird immer genau ausgerechnet, so dass es sein kann, dass man morgens um 7:08 Uhr und 10 Sekunden das neue Jahr begrüsst. Da ich nur noch ca. 60 Kilometer entlang der Donau fahren musste, gab ich Mahid meine Karte von Bayern, da er den ganzen Weg von Dresden bis wir uns trafen komplett ohne gutes Kartenmaterial zurückgelegt hatte. Er wollte danach weiter nach Salzburg und Linz, das sogar auch noch teilweise auf der Karte zu sehen war.

Ich wusste, dass ich am Abend das erste Mal Unterschlupf in der Wohnung einer Freundin finden konnte und freute mich richtig in Passau anzukommen. Auf den letzten Kilometern testete ich auch mein Videoequipment und es wurde schon langsam dunkler,  als mir ein schwer bepackter Radfahrer entgegen kam. Andi kam aus der Schweiz und beendete gerade eine 2-Jahres-Tour durch Asien, Indien und die Philippinen. Ich machte schnell ein Foto und wir unterhielten uns noch ein wenig über die Route und die Reise, die noch vor mir liegen sollte. Insgesamt war Andi in seinem Leben mehr als 5 Jahre unterwegs gewesen und hatte jede Menge erlebt. Zusammen mit seiner Freundin, die ihn auch einige Zeit begleitete, hat er eine nette Homepage gestaltet, auf der auch viele Informationen zu finden sind: ride2east.ch. Er hatte unterwegs einige Reisende getroffen, deren Webseiten ich im Vorfeld auch besucht hatte – wie das alles zusammenzuhängen scheint.

Kurz vor Passau hörte ich, wie jemand hinter mir auf sich aufmerksam machen wollte. Ich drehte mich um und sah Tom aus UK, der Ende Februar zu einer Weltumradelung um die nördliche Erdkugel aufgebrochen war. Wir unterhielten uns bis nach Passau und wollten nun schauen, ob wir nicht einen Teil des Weges zusammen fahren können. Anfang Mai muss er zurück nach London fliegen, da seine Schwester heiraten wird, aber vielleicht wird man sich dann spätestens im Iran wieder sehen.

In Passau angekommen und nach meiner ersten richtigen Dusche nach Tagen, merkte ich, dass die Belastungen der letzten Tage, die eisigen Nächte und der starke Wind doch ihre Spuren hinterlassen hatten. Ich entschied mich nun noch einen entspannten Ruhetag mehr einzulegen und gesundheitlich wieder komplett fit zu werden, bevor ich mich zurück in die Natur begeben wollte.

Karo, bei der ich untergekommen war, bot mir sogar an, dass ich bis in den April bleiben könne, was bestimmt cool wäre, aber meine Reise nicht riesig voranbringen würde. Wir unterhielten uns über die richtige Ernährung unterwegs und sie brachte mir einige türkische Wörter bei, die mir auf meiner Reise helfen können. Ich entschied mich dazu Deutschland am 22.03. zu verlassen und in Richtung Österreich aufzubrechen, in der Hoffnung Tom schnell einzuholen, um mit ihm vielleicht bis nach Istanbul zu fahren.

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