Neuseeland, Teil 1: 18.02. – 18.03.2015

Über den Süden und die lebende Ameise

Es ist bereits nach Mitternacht als wir in Christchurch auf der neuseeländischen Südinsel landen. Nie zuvor wurde ich bei einem Grenzübertritt so sehr ausgefragt wie dort, die Einreisebehörden und der Zoll nehmen es wohl ganz genau. Wir deklarieren unsere Fahrräder und unser Zelt, denn die Bediensteten wollen alles kontrollieren. Nochmal 15 Minuten müssen wir warten bis sie uns endlich zum Waren-Tisch bitten.

Wir geben ihnen das Zelt und sollen es nicht mehr wiederbekommen. Bei der Untersuchung im sterilen Sicherheitsraum
entdecken sie eine lebende Ameise, weshalb sie das Zelt als kontaminiert einstufen. Für mich bedeutet das eine Entscheidung zu treffen, ob ich das Zelt verbrennen lassen oder für ca. 150€ eine Woche vakuumsreinigen möchte. Lange diskutiere ich mit dem Beamten, das ich das Zelt doch auch in ihrem Sicherheits-Raum säubern könne, erzähle ihm von meiner Reise und dem Zeltsponsor, doch er blockt alles ab. Eine Woche würde das Säubern dauern, so viel Zeit haben wir aber nicht. Als ich wünsche gerne dabei zu sein, wenn sie eine weitere Ameise aus meinem Zelt ziehen, reagiert er leicht aggressiv, das ich seinen Kollegen etwas unterstellen wolle. Immerhin habe ich alles versucht, am Ende bleibt das Zelt dort, Siegfried und ich müssen von nun an des Obdachs beraubt weiterziehen, toller Start!

Es ist bereits nach 5 Uhr morgens als wir alles zusammengebaut haben und losfahren könnten, doch wir schlafen erstmal 2 Stunden am Flughafen, denn wir müssen einen Plan entwickeln wie es weitergeht. Viel Geld für ein gutes neues Zelt ausgeben oder es mit einem Billig-Baumarktzelt probieren? So leicht gebe ich nicht auf, laufe zur Müllstelle des Flughafens und frage den unwissenden Mitarbeiter, ob vielleicht ein grünes Zelt im Müll zu finden sei – leider nicht. Kurz danach komme ich auf die Idee am Flughafen nachzufragen, ob nicht jemand ein Zelt dort vergessen hätte und es nicht mehr abholen würde. Ich darf mich in der Fundkiste des Flughafens umschauen und tatsächlich liegt genau ein Zelt neben 20 Schlafsäcken in einem Regal, ich
kralle es mir und baue es wenig später probeweise in einem Park in Christchruch auf, nachdem wir diesen Schreckensort verlassen haben.

Wir befinden uns im Kreis Canterbury, einem der trockensten und flachsten Gegenden Neuseelands. Entlang großer Milchproduktions-Farmen suchen wir uns einen Weg nach Westen und fragen abends auf einer Farm an, ob wir dort übernachten können, da Wildzelten verboten ist und hart bestraft wird. Lukas, ein deutscher Reisender macht uns die Tür auf, er arbeitet dort und wir können gleich zwei Nächte bleiben, wichtigen Schlaf nachholen und uns neu sortieren.

Unser Weg schmiegt sich an der Ostseite der südlichen Alpen entlang, denen wir bis zu den Gebirgsseen Tekapo und Pukaki folgen. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass wir wieder schöne Berge sehen und versuchen es zu genießen, obwohl wir mittlerweile schon viel gesehen haben. Reisemüde fühlen wir uns, doch wir erinnern uns stets daran, was für ein Glück wir haben, den deutschen Winter in so einer atemberaubenden Naturlandschaft zu verbringen. Entlang des Alpen-Ozean-Tracks folgen wir dem Tal nach Oamaru, wo wir ein verlassenes Haus finden und uns für zwei weitere Tage einquartieren. Wir haben riesen Glück und können abends an einem Strand Gelbaugenpinguine sehen und durch unseren Ruhetag den sturmartigen, kalten antarktischen Gegenwind und Regen aussitzen.

Von nun an folgen wir der Küste, die teils bergiger ist als angenommen. Über Dunedin geht es nun entlang der südlichen szenischen Route bis nach Queenstown. Auf dem Weg treffen wir Laurin, einen deutschen FSJler, der in Auckland arbeitet. Gemeinsam befahren wir die bewaldete „Catlins Coast“ mit ihren vielen Wasserfällen und kommen im ersten großen Regen in Invercargill an.

Beim Einkaufen werden wir von einem Neuseeländer angesprochen, der uns zu sich einlädt, damit wir einen trockenen Platz bekommen. Als wir auf seinem Grundstück ankommen, sind wir erstmal verwundert, wo wir bleiben sollen. Denn sein Haus hatte er vor vier Jahren bei einem Brand verloren und da er nicht versichert war, hatte er alles verloren. Wir finden ein Messi-Grundstück vor, auf dem zwei zusammengebretterte Garagen stehen, in einer wohnt er zur Zeit. Wir müssen uns durch Tonnen von Krams arbeiten und umschichten, um einen Schlafplatz herzurichten, doch wir bleiben trocken!

Als wir Invercargill verlassen, sind wir um eine verrückte Erfahrung reicher und haben den südlichsten Punkt unserer Reise hinter uns. Von nun an geht es wieder nach Norden, nächste Ziele Te Anau und Milford Sound. Doch als wir dort ankommen und den Wetterbericht lesen, müssen wir eine schwere Entscheidung treffen. Über 30 Zentimer Regen soll in den nächsten 4 Tagen fallen und uns drei davon voll erwischen. Es wäre reinste Selbstaufgabe die 120km-Sackgassenstraße zum Milford Sound zu fahren, da meist die Straßen als Flüsse herdienen müssen, ein steiler Anstieg bevorstehe und die Straße nicht für die Massen von Touristen plus Radfahrer herhalten könne, besonders nicht bei Sichtbeeinträchtigung und Regen. Über 7 Meter Niederschlag fällt in dieser Gegend des Fjordlandes, das zu den regenreichsten Orten auf der Welt gehört. Dieser Ort mit seinem kalten Regenwald war zwar immer mein geheimes Ziel der Reise gewesen, doch die bevorstehenden Gefahren und der starke Regen würden wahrscheinlich nicht im Verhältnis zu dem stehen, was wir am Ende erfahren würden.

Schweren Herzens ziehen wir zu dritt weiter nach Nordosten, um wenige Tage später die Tourisen-Action-Hochburg Queenstwon zu erreichen. Geschützt durch die hohen Berge der Alpenkette bekommen wir von dem starken Regen kaum etwas mit und entscheiden uns dafür über Arrowtown, Wanaka zur regenreichen Westküste zu fahren, die bei Erreichen aber genug Regen abbekommen hat, wodurch wir vier sonnige Tage erleben – ein Ausgleich für den verpassten Milford Sound. Wir besuchen einige „Herr der Ringe“-Drehorte und die beiden Gletscher, die in den letzten Jahren enorm an Masse verloren haben und schon lange nicht mehr bis zum Ozean reichen. Es ist dennoch eine beeindruckende Erfahrung, so nah und Umgeben von Wäldern dieses Naturereignis zu erblicken.

Nach weiteren zwei Tagen erreichen wir die Pancake-Rocks nördlich von Greymouth, an denen wir uns von Laurin trennen, denn Siegfried fliegt von Christchurch zurück nach Deutschland und genügend Zeit für den nördlichen Teil der Südinsel bleibt uns nicht.

Über den Arthurs Pass überqueren wir die südlichen Alpen ein zweites Mal und haben traumhafte Ausblicke. Als wir wieder in der Canterbury-Senke ankommen, bricht aber das kühle Schlechtwetter als Auswirkung des Hurrikans der in Ozeanien gewütet hatte auf uns ein. Wir werden komplett durchnässt und klopfen zwei Tage vor Siegfrieds Heimflug nochmal an Lukas Tür an und dürfen eine weitere Nacht bei ihm verbringen, bevor wir uns am nächsten Tag nach Christchurch aufmachen und alles für Siegfrieds Heimflug vorbereiten.

Nach über 5 Monaten heißt es nun Abschied zu nehmen und zum wirklich aller ersten Mal auf dieser Tour alleine den letzten Monat in Neuseeland zu verbringen.

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